Wir schreiben einen Sonntagmorgen und werden von entweder einem kleinen Perrofight (so nennen wir die Kämpfe der Straßenhunde, die mehr oder minder lautstark ausgetragen werden) oder den Sonnenstrahlen geweckt. Das nennt sich doch mal einen guten Tag, um auf den Sonntagsmarkt zu gehen, man muss ja nicht direkt schon um sieben auf der Matte stehen, neun tut’s auch noch. Deshalb wird erst mal gemütlich ins Bad getorkelt … um dann festzustellen, dass sie leider wieder das Wasser abgedreht haben, was anscheinend an irgendwelchen Straßenarbeiten liegt. Schade, schon wieder drei Tage nicht geduscht, aber die Hoffnung, dass sie das Wasser so spontan wieder freigeben wie sie es abgedreht haben, stirbt zuletzt. Aber echt, erst in solchen Situationen merkt man, wie kostbar es ist, ständig fließendes Wasser zu haben. Oder habt ihr jemals schon im Voraus geplant, wann ihr spätestens duschen müsst, um in dem Fall, mehrere Tage kein Wasser zu haben, nicht komplett schmutzig zu sein? Oder Wasser in Colaflaschen zu sammeln, um für den Fall der Fälle eine Klospülung zusammen zu bekommen? Oder das „advanced level“, Sonne und Wasser aufeinander abzustimmen? Letztens hat es das Schicksal nämlich nicht sonderlich gut gemeint … Wenn die Sonne gescheint hat, gab es kein Wasser, und wenn es Wasser gab, um Wäsche draußen zu waschen, gab es keine Sonne, um jene zu trocknen.
Ok, dann duschen wir eben nicht. Und frühstücken noch schnell unsere zwei Brote, die unser Gastbruder Lenin am Abend zuvor bei den Damen an der Plaza gekauft hat (Brote werden draußen meistens in Schubkarren in bunte Tücher gewickelt, in denen auch die Babys getragen werden, verkauft). Dazu gibt es Marmelade und Margarine, die hier gefühlt jeder in 900g-Packungen hat.
Dann geht es los durchs Dorf, und man hört schon jemand aus einer Ecke ‚profe‘ (für eine Lehrkraft, so werden meist Sara, Ariane oder Peter genannt, da sie im Kindergarten bzw. der Schule arbeiten) oder ‚hola piiiter‘ oder in meinem Fall ‚hola sofi‘ rufen. Es geht weiter, die fünf Minuten, bis wir an der Markthalle an der Plaza sind, begegnen wir vielen bekannten Gesichtern, die ich aber meist schwer zuordnen kann, sie einem dennoch vertraut vorkommen. Meistens wird man von jedem sehr nett gegrüßt und fühlt sich schon gut angekommen und aufgenommen.
An der Plaza winken wir den Frauen in den Tante-Emma-Läden zu, die uns mittlerweile auch schon zu ihren Stammkunden zählen. Man passiert Kinder, die Wackelpudding in Miniplastikbechern verkaufen, oder Frauen, die ihre Backwaren zum Verkauf anbieten. Und bei so manchen Leckereien wie frischen salteñas oder empanadas oder am besten frittierten buñuelos (ich sammele übrigens schon für einen Extra-Blogeintrag übers Essen) kann mein Gaumen dann einfach nicht Nein sagen, zum Verhängnis meines Bäuchchens. In der Markthalle angekommen packen wir unsere leere 2-Liter-Colaflasche aus, damit die Joghurtfrau uns für 20 Bolis entweder supersüßen Cocos-, Pfirsich- oder Erdbeerjoghurt abfüllen kann. Sauren Joghurt findet man hier leider kaum, das lässt sich aber mit anderen Leckerbissen super kompensieren. Für Personen, für die Joghurt gerade nicht das Richtige ist, gibt es eine Fleischabteilung … Das mit der Kühlkette und Hygiene beim Fleisch ist hier noch so eine Sache, über die man sich streiten kann. Dafür werden hier meist Tiere aus dem nächsten Umkreis bezogen, sodass man ziemlich sicher sein kann, dass die Tiere nicht mit Antibiotika etc. vollgepumpt wurden. Neben Fleisch wird auch Suppe und Gemüse, das meistens auf dem Boden auf Tüchern ausgebreitet liegt, verkauft. Nachdem wir uns mit Haferflocken, Bananen und dem Joghurt eingedeckt haben und gerade gehen wollen, werden wir von der Bibliothekarin angesprochen, ob wir nicht Lust haben, heute Mittag zu der piedra de tortuta, ein Stein in Schildkrötenform, im Fluss zu gehen. Die Flüsse hier sind nämlich himmlisch … Nicht nur die Kulisse, zwischen grünen Bergen, die noch toller vor Gewitterwolken aussehen, es gibt sogar einen warmen und einen kalten Fluss, in denen man schwimmen kann. Allgemein die Landschaft in und um Sopachuy ist wunderschön! Tagsüber und auch nachts, wenn man auf einen Berg steigt, um bei lauer Temperatur den Sternenhimmel zu beobachten … Das kann man eigentlich gar nicht beschreiben, das muss man erleben!
Ach, tut mir leid diese etwas wirre Schreibweise, aber es ist so schwierig, viele kleine Augenblicke, die als Ganzes unser Leben hier ausmachen und so toll werden lassen, kompakt und verständlich rüberzubringen … wo man hinschaut warten neue Entdeckungen?.
Aber zum Abschluss hab ich noch ein paar Infos:
Vermutlich werde ich bald beginnen, im Tausch gegen Geigenunterricht das Instrument Charango (ein kleines, gitarrenähnliches Zupfinstrument aus dem Altiplano) von einem Musiklehrer der hiesigen Schule zu lernen. Außerdem, wenn es im Krankenhaus gerade nicht so viel zu tun gibt, versuche ich mir etwas Quechua, die Sprache der Indigenen hier in der Gegend, anzueignen, um mich wenigstens ein klein bisschen mit den Patienten, die kein Spanisch sprechen, verständigen zu können. Darüber könnte ich eigentlich auch mal einen kleinen Artikel schreiben ?.
Und nun noch ein Sopachuy-Hack:
Sopachuy#2: Da ich entweder gefühlt abwechselnd Party im Bauch oder Husten mit mir rumschleppe und Antibiotika eher nichts für mich sind, hab ich mal einen Tipp der Einheimischen befolgt: Gegen Husten nehme man jeden Abend eine Tasse heißes Wasser, reichert sie mit Limettensaft an, gebe einen Schuss Honig dazu und zu guter Letzt einen Schluck Singani (Alkohol, der hier zuhauf für ca. 3 Euro die Flasche verkauft wird). Das kann zwar auch Einbildung sein, aber ich würde behaupten, dass das den Husten gelindert hat!