"Hospital Virgen de los Remedios" – ein bolivianisches Krankenhaus

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Allin punchay!

Da euch bestimmt interessiert, was ich so den lieben langen Tag treibe hier in Sopachuy, nun ein paar Worte zu meinem Krankenhaus und meinen Tätigkeiten.

Ich arbeite im „Hospital Virgen de los Remedios“, das vor zirka 35 Jahren von deutschen Ordensschwestern gegründet wurde („Beweismaterial“ liegt z.B. in Form von alten Klebepflastern vor, die ich mal in der Notaufnahme (emergencias) gefunden habe).

Mein Arbeitstag beginnt um 9.00 Uhr morgens, geht bis 12.00 Uhr mittags und wieder von 15.00-18.00 Uhr. In diesem Zeitfenster arbeiten übrigens auch die meisten Ärzte. Mein Weg von meinem Zuhause zum Krankenhaus nimmt nur etwa 15 Sekunden in Anspruch!

Insgesamt ist das Krankenhaus eher klein und für die Erstversorgung ausgelegt. So besteht es unter anderem aus einem Zimmer, in dem zuerst, nachdem ein Patient seine Akte angefordert hat, die Vitaldaten genommen werden. Das gehört auch morgens zu meinen Aufgaben. Ein Schwesternzimmer, in dem gespritzt wird (in die Pobacke) und ein kleines „Aufbewahrungszimmer“ schließen sich an.

Ansonsten gibt es zirka 40 Betten für stationäre Patienten, was aber bei Weitem nicht ausgeschöpft wird. Die Höchstzahl der belegten Betten liegt, seit ich im Krankenhaus bin, bei 5 stationären Patienten gleichzeitig, wobei man aber unterschätzt, wie lange zumindest ich brauche, um abends den älteren Damen und kleinen Kiddis Blutdruck, Puls, Atmung und Temperatur zu messen. Naja, Übung macht den Meister 🙂 Stationen, die man sonst aus Krankenhäusern kennt, bestehen aus einzelnen Zimmern. Den emergencias, wo Notfälle und kleinere Wunden behandelt werden, der medicina interna (Innere), der ginecologia (Gynäkologie), der pediatria (Pädiatrie) und zwei consultorios (Aufnahmezimmer/Beratungszimmer). Sonst haben wir noch eine Zahnarztabteilung, eine Apotheke, ein Radiographiezimmer und ein Labor.

Ach ja, und nicht zu vergessen, den OP, der nur leider nicht wirklich genutzt wird, weil a) unser Chirurg gehen musste, b) wir keinen Anästhesisten und c) nicht ausreichend Material und Instrumente haben, sodass schon Brüche in die nächste größere Stadt, nämlich nach Sucre, transportiert werden müssen, was mit dem Wagen doch ein paar Stunden dauern kann.

Es gibt auch eine Art Kinderstation, auf der z.B. Frühchen überwacht oder monatliche Kontrollen des Gewichts und der Größe sowie Impfungen durchgeführt werden. Einen Waschraum, Lagerraum und eine panaderia (Brotbackzimmer) gibt es auch.

Vom Personal her besteht das Krankenhaus aus 2-5 täglich anwesenden Krankenschwestern, zirka 8 Ärzten und einigen internos (Medizinstudenten), Laboranten sowie Putzangestellten und 2 Köchinnen. Mit Doña Pati durfte ich sogar letzte Woche Brote backen, 182 an der Zahl (ja, die hab ich gezählt!), die für Patienten, aber hauptsächlich für das Personal in einer Woche ausreichen. Wir haben nämlich den schönen Brauch, nachmittags gegen fünf immer ein tecito (eine Art Kaffeekränzchen – für alle, die Spanisch sprechen: das Verniedlichen von allem ist einerseits Gewöhnungssache, andererseits ist es etwas, was man leicht selbst übernimmt, was dann in ahorita, escuelita etc. endet) durchzuführen, was aus einem bis zwei Broten besteht und einer Tasse Tee, Kakao oder Kaffee (wofür man einen Schwung Kaffeekonzentrat mit aufgebrühtem Wasser aufgießt). Um die Weihnachtszeit möchten wir zusammen Plätzchen backen! Ich hoffe, die werden was.

Zu den Patienten: Da wir, finde ich, so eine Mischung aus Hausarzt und Krankenhaus sind, kommen viele Personen mit einer einfachen Erkältung oder unkomplizierten Erkrankungen. Alle Medikamente bekommt man hier nämlich nur auf Rezept und im Krankenhaus. Kinder und Erwachsene haben durchschnittlich eher schlechte Zähne, weshalb es mir so vorkommt, als sei die odontologia die einzige Abteilung, in der wirklich immer was los ist. Viele ältere Personen kommen mit so etwas wie einem Hexenschuss, der wohl von der Feldarbeit oder sonstiger körperlich schwerer Arbeit herrührt. Was mir aber auch auffällt, ist, dass einige, auch zum Teil sehr junge Personen, schon an der enfermedad de Chagas leiden. Diese Chagas-Krankheit wird, ausgehend von den mit Parasiten infizierten vinchucas (Raubwanzen), über deren Ausscheidungen auf den Menschen übertragen und kann von Mensch zu Mensch, z.B. von Mutter zu Kind oder über andere Körperflüssigkeiten, weitergegeben werden. Chagas kann, wenn es beim Neugeborenen direkt über einen Bluttest entdeckt wird, geheilt werden. Im späteren Alter können allerdings nur noch die Symptome gelindert werden, der Tod z.B durch Folgeerkrankungen des Herzens, leider nicht verhindert werden. Das Problem ist, dass die Patienten meist erst zu spät merken, dass sie infiziert sind.

Eine sehr coole Sache ist, dass das Krankenhaus an bestimmten Tagen jeden Monat ein Team in die Außengemeinden sendet, wo Personen geimpft, untersucht und in bestimmten Bereichen, z. B. Ernährung, informiert werden. Genaueres kann ich dazu noch nicht erzählen, doch diesen Monat darf ich auch mit auf Tour, dann kann ich direkt aus erster Hand berichten.

Von den Außengemeinden werden unter anderem auch carpetas familiares (Familienakten) geführt, in denen die Familienmitglieder mit Alter, Beruf, Krankheiten und dementsprechenden Risikofaktoren, Wohnsituation, Wasserversorgung und Müllentsorgung etc. vermerkt werden. Je nachdem, wie „gefährdet“ eine Familie ist, werden unterschiedlich farbige Zettel angebracht und in regelmäßigen Abständen Besuche und Kontrollen durchgeführt.

Meine Aufgaben setzten sich bislang aus ganz unterschiedlichen Dingen zusammen. Meistens helfe ich da, wo gerade Not am Mann ist. Morgens ist das meistens das Messen der Vitalzeichen, sonst mal bei verwaltungstechnischem Kram, oder ich darf mit in die Außengemeinden. Allgemein darf ich bei allen Ärzten reinschauen, die mir immer gerne viel erklären oder, wenn es gerade nichts zu tun gibt, mit mir „a bissle schwätzed“. Sogar bei einer OP (das war, als unser Chirurg noch da war) und einer Geburt durfte ich dabei sein, was echte Highlights waren!

So, jetzt hab ich doch einiges schon erzählt, und es gäbe noch so viel mehr zu erzählen, weshalb der Artikel auf jeden Fall eine Fortsetzung haben wird. Wenn euch bestimmte Fragen interessieren, kontaktiert mich einfach, gerne auch in die Kommentare 🙂

Bis dann wünsche ich euch nur das Beste, adios amigos!
Eure Ann-Sophie (im Krankenhaus übrigens bekannt als Sofi, wie auch sonst im Dorf)

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